Ereignisreiche und turbulente Wochen liegen hinter uns. Da seit dem letzten Update bereits einige Zeit vergangen ist, will ich im heutigen Beitrag wieder einmal den Blick auf die wichtigsten Aktivitäten und Learnings richten.
Es scheint, als würde der Sell-Off im Februar/März zur alljährlichen Routine werden. Diesmal waren allerdings nicht die drastischen Shutdowns zur Bekämpfung von Covid-19 der Auslöser, sondern vielmehr die steigenden Renditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen. Diese preisen wiederum einerseits eine starke Wirtschaftserholung nach Covid-19 ein, zum anderen zeigt sich darin insbesondere auch die Angst vor enteilenden Inflationsraten infolge der beispiellosen Wirtschaftshilfen. Dieser „Cocktail“ könnte dann wiederum ein Eingreifen der Zentralbanken nach sich ziehen (Lies: Liquiditätsbegrenzung).
Wer einmal einen Schritt Abstand von der tagtäglichen Berichterstattung nimmt, kann einmal mehr feststellen, wie schizophren der „News-Flow“ und die börsenseitige Interpretation der wirtschaftlichen Entwicklung ist: Zuerst wurde monatelang über die fast schon aussichtslose Lage der amerikanischen, europäischen und/oder deutschen Konjunktur berichtet. Gleichzeitig kam es vor allem im Technologiesektor zunehmend zu starken Überhitzungen. Zur nicht-enden-wollenden Welle an SPACs und IPOs wurde ohnehin schon vielerorts genug gesagt/geschrieben.
Im Februar diesen Jahres schien das Stimmungspendel dann schlagartig umzuschlagen: Kaum rückte die Öffnung der Wirtschaft mitsamt flächendeckender, konjunktureller Erholung in greifbare Nähe, starteten viele Investoren einen regelrechten Run auf Ölaktien und Extrem-Zykliker: Eine Exxon Mobile für ein Forward-PE=17 oder eine Caterpillar für ein Forward-PE=22!? Oder eine Delta Airline wieder fast auf Pre-Covid-Niveaus?! Nein Danke. Aber nur BTW: Es gibt auch für mich robuste, qualitativ-hochwertige Blue Chips, die auch ich unter gewissen Umständen als kaufenswert erachte. Hier denke ich beispielsweise an eine Home Depot, eine Nike oder eine Walmart. Aber dazu vielleicht einmal an einer anderen Stelle etwas mehr…
Während ich grundsätzlich kein „Fan“ der FED oder von Jerome Powell bin, hatte ich diesmal doch den Eindruck, dass er in seinen letzten Äußerungen nahezu alles richtig gemacht hat. Viele Markteilnehmer haben hier wohl schon „sehnsüchtig“ auf eine Ankündigung einer aktiven Yield-Curve-Control (YCC) gehofft. Davon wollte JP allerdings nichts wissen. Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass die gewählte Art der Kommunikation vielleicht sogar ein recht geschickter „Schachzug“ gewesen sein könnte.
Auf der einen Seite weiß er (und die FED) sehr genau, dass steigende Zinsen (u. a. eine FFR > 3%) nicht nur der „Tod“ für den Aktienmarkt wären, sondern vor allem auch die Realwirtschaft hart treffen würden (Stichwort: Zombies und Verschuldung). Auf der anderen Seite ist natürlich auch ihm nicht entgangen, dass insbesondere im Tech-Sektor ernstzunehmende Übertreibungen bei manchen Bewertungen entstanden sind. Um diese „Konfliktsituation“ halbwegs zu entschärfen, wählte er in seinen Reden den Weg des kontrollierten „Luftablassens“. Natürlich bleibt hier abzuwarten, wie sich dieses Luftablassen in den nächsten Wochen weiter entwickelt...
So viel also zu meiner Sicht auf die Entwicklungen der letzten Wochen. Jetzt ist natürlich die Frage, wie ich mich angesichts dieses (veränderten?) Umfelds positioniere. Grundsätzlich hatte (und habe) ich nicht vor, an einer Sektor-Rotation teilzunehmen. Sicherlich gibt es einige, die genau am 12. Februar den „Absprung“ geschafft haben und nun wissen, wann der „richtige“ Zeitpunkt für den (Wieder-)Einstieg gekommen ist. Ich jedenfalls weiß es nicht.
Dazu kommt, dass ich die „Panikmache“ rund um eine ausufernde Inflation schlichtweg nicht teile. Hierzu trägt in meinen Augen zum einen die äußerst günstige - bzw. ungünstige - Demographie im Westen bei (alles eine Frage der Perspektive). Zum anderen halte ich den deflationären Druck, der von der großen Zahl an leistungsfähigen Innovationen (5G, 3D-Druck, KI, IoT, Data Analytics / Machine Learning, Blockchain, Biotech, etc.) im Allgemeinen bzw. der im Vergleich zur Vergangenheit vielfach gesteigerten Produktionsflexibilität im Speziellen ausgeht, schlichtweg für ein zu starkes „Gegengewicht“ zu den restlichen Inflationstreibern.
Dazu sehen wir aus der nachfolgenden Grafik, wie gerade die Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge – hier dargestellt als M2 – nach der Finanzkrise konstant zurückgegangen ist und vor allem im Zuge von Covid-19 regelrecht kollabiert ist [1]. M2 beschreibt dabei aus der Sicht der FED die Geldmenge, die sich aus dem Bargeldumlauf, dem Guthaben der Kreditinstitute bei der FED, Sichtguthaben von Nichtbanken bei Kreditinstituten, Sparguthaben, Terminguthaben bis 100.000 Dollar und bestimmten Geldmarktfondsanteilen zusammensetzt.
Einfach formuliert gilt: Je niedriger die Umlaufgeschwindigkeit einer bestehenden Geldmenge ist, sprich je seltener die Geldeinheiten ihren Besitzer wechseln, desto geringer ist die tatsächlich in der Volkswirtschaft vorhandene Geldmenge. Wenn also die QE-Maßnahmen zwischen 2010 und 2020 nicht zu einem Revival der Weimarer Republik geführt haben, frage ich mich, welche Veränderungen nun dazu führen, dass die aktuellen Maßnahmen eben genau dies bewirken. Ich für meinen Teil werde daher jedenfalls die M2-Velocity - und natürlich die FED-Kommunikation - weiter genau im Auge behalten…
Davon abgesehen steht außer Frage, dass das Umfeld für viele Aktien von Wachstumsunternehmen die nächsten Monate eher schwierig bleiben dürfte. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass das Umfeld nicht nur für Tech, sondern für den gesamten Aktienmarkt deutlich schwieriger werden dürfte und wir uns als Anleger aufgrund eines gewissen „Covid-Bewertungs-Hangovers“ bei nahezu allen Assets (Rohstoffe, Immobilien, Aktien, Kryptos) auf 2-3 Jahressicht auf eher unspektakulärere Renditen einstellen müssen. Insbesondere wird sich in den nächsten Quartalen zeigen, welche Unternehmen „nur“ einen einmaligen Covid-Boost genossen haben, und welche dauerhaft von der beschleunigten Digitalisierung bzw. dem veränderten Wettbewerbsumfeld profitieren können. Damit erst einmal zur allgemeinen Marktlage, denn auch in meinem Portfolio ist in den letzten Wochen viel passiert.
Angesichts der wirklich starken Zahlen habe ich unter anderem einen erneuten Zukauf bei JD getätigt. Newsletter-Abonnenten haben bereits im Januar einen One-Pager bzw. ein Update zur Portfolio-Aufnahme von JD erhalten.
Für mich schwer nachvollziehbar ist die äußerst attraktive Bewertung von JD: In den letzten zwölf Monaten (TTM) wurde ein FCF von rund 35 Mrd. RMB, also ca. 5,4 Mrd. USD erzielt. Gleichzeitig belief sich das YoY-Umsatzwachstum zum letzten Quartal auf 40% (in USD), für das gesamte FY-2020 belief sich das YoY-Umsatzwachstum wiederum auf 31%. Für letzteren (konservativeren) Wachstumswert ergibt sich unter Berücksichtigung des derzeitigen EV (Enterprise Value) von 130 Mrd. USD – in Anlehnung an das PEG-Ratio (Price-to-Earnings-to-Growth-Ratio) – ein EV-FCF-G Ratio von ca. 0,8!
Sicherlich ist ein gewisser „Discount“ für China in Ordnung, ein Abschlag auf ein modifiziertes PEG-Ratio von weit <1 halte ich aber angesichts der wirklich starken Zahlen, einer starken Wettbewerbs-Positionierung und der zunehmenden Skalenvorteile allerdings doch für überzogen. Weiterhin erkennen wir aus der unteren Grafik einerseits, dass mit rund 30% eine wirklich beeindruckende Zunahme bei den aktiven Kunden erzielt werden konnte. Dazu kommt, dass insbesondere auch die Zeit für den Inventory Turnover sowie den Accounts Payable Turnover erneut stark reduziert wurde. [2]
Der Kauf von JD im Januar war übrigens auch der Hauptgrund für den Verkauf meiner Tencent- und Alibaba-Position. Weiterhin habe ich mich auch nach doch relativ kurzer Zeit wieder von Facebook getrennt. Hauptgrund hierfür ist, dass ich die Kursschwäche im Tech-Bereich für Zukäufe bei „spannenderen“ Unternehmen nutzen wollte.
Auf der einen Seite konnte ich in den vergangenen Wochen über mehrere Tranchen eine inzwischen nennenswerte Position bei The Trade Desk (TTD) aufbauen. Auf der anderen Seite habe ich drei eher spekulativere „Moonshot-Positionen“ eröffnet.
Zum einen habe ich den Sell-off – wie vor einigen Monaten beim damaligen Verkauf angekündigt – dafür genutzt, um Invitae auf einem deutlich attraktiveren Bewertungsniveau wieder zurückzukaufen. Zum zweiten habe ich in der Schwäche Positionen bei Kahoot und Jumia eröffnet.
An Jumia gefällt mir nicht nur die Tatsache, dass viele Beobachter das Unternehmen fälschlicherweise als schlecht geführtes Baby-Amazon-of-Africa bezeichnen. Vielmehr versucht sich das Management bzw. das Unternehmen derzeit an einer in meinen Augen wirklich vielversprechenden Transformation: Während anfangs tatsächlich ein Amazon-ähnliches Asset-heavy-Geschäftsmodell verfolgt wurde, findet gerade der „Umbau“ zu einem Asset-light Plattform-Geschäftsmodell aka a Shopify mit den drei Wachstumstreibern Werbung, Payment und Third-Party-Logistics statt.
Grundsätzlich bin ich zwar kein allzu großer Fan von Turnaround-Storys. Angesichts des First-Mover-Advantage, eines profunden Verständnisses für die lokalen Märkte durch dezentral agierende, „einheimische“ Führungskräfte, eines riesigen TAMs sowie erster, positiver Transformationszahlen überzeugte mich das Risk-Reward um die 40 USD aber dennoch von Zukäufen. Zu Kahoot und TTD gab es außerdem vor knapp zwei Wochen im Newsletter bereits ein paar „einführende Worte“.
Als TTD zeitweise unter 600 USD zu haben war, musste „leider“ sogar meine Peloton-Position weichen. An TTD gefallen mir v. a. drei Dinge: Top CEO, brutale Zahlen und Profiteur des Reopenings.
Was die Zahlen angeht: Das Wachstum alleine ist zwar schon sehr stark, besonders beeindruckend finde ich allerdings die gleichzeitige Verbesserung der Profitabilität: Während die FCF-Marge für die letzten 12 Monate schon beachtliche 40% betrug, konnte diese zum letzten Quartal auf 47% gesteigert werden! Dazu sollte TTD zu den Reopening-Gewinnern zählen. Konkret rechne ich mit einer weiteren Beschleunigung des Wachstums. Während einige Tech-Unternehmen – wie beispielsweise eben Peloton– im Zuge des Reopenings in eher schwierigeres „Fahrwasser“ kommen sollten, dürfte TTD in meinen Augen vielmehr zusätzlich davon profitieren, dass Werbebudgets vollständig „re-etabliert“ werden und der Konsum insgesamt deutlich anzieht.
Ansonsten lässt sich noch eine weiterer Sachverhalt beobachten: Alle Unternehmen aus meinem Portfolio haben sehr gute bis überragende Zahlen für das vergangene Quartal vorgelegt und auch der Ausblick war bei nahezu allen Sparks sehr robust (Nur Docusign und Tesla waren wohl etwas zu „verhalten“). Trotzdem reagierte keine der entsprechenden Aktien wirklich positiv. Für den Fall, dass erfreuliche Neuigkeiten keine positive Reaktion im Aktienkurs hervorrufen, gibt es genau zwei Erklärungsmöglichkeiten, wobei in einem Worst Case natürlich auch beide zutreffen können:
Alle positiven News sind vorerst eingepreist
Temporär schlechter „Gesundheitszustand“ des Marktes
Ich persönlich gehe hier davon aus, dass die eigentlichen Fakten, also sprich die „Earnings“ der Unternehmen, auch in den nächsten 1-2 Quartalen keinen allzu großen Einfluss auf die jeweiligen Kursentwicklungen nehmen werden. Stattdessen dürfte der gesamte Aktienmarkt, insbesondere aber eben die Tech-Aktien, über die nächsten Monate in einem „Wechselbad der Gefühle“ verharren, welches im Wesentlichen von der Reopening-Berichterstattung und den Inflationsängsten geprägt werden dürfte. Die größte Herausforderung wird daher meiner Ansicht nach darin bestehen, sich in diesem Umfeld nicht verrückt machen zu lassen bzw. sich nicht zu „Panic-Sell-offs“ verleiten zu lassen.
Bevor wir zur aktuellen Zusammensetzung meines Portfolios und der Entwicklung kommen, noch ein paar Worte zur Portfolio-Konstruktion. In meinem Januar-Update hatte ich ja bereits kurz erwähnt, dass ich mich in diesem Jahr vor allem mit der für mich richtigen Asset-Allokation auseinandersetzen möchte. Grundsätzlich gilt es für mich hier drei Fragen zu beantworten:
Wie viel Cash möchte ich halten und warum
Welche Unternehmen möchte halten und warum
Welche Bedeutung hat Diversifikation für mich
Hier konnte ich vor allem bei der letzten Frage einen kleinen Fortschritt erzielen. Mein Ziel ist es, den Großteil des Portfolios in meine „Top-10“ zu konzentrieren. Diese beinhalten Unternehmen, die ich tiefergehend analysiert habe und sowohl vom Geschäftsmodell als auch von der Wettbewerbsdynamik gut einschätzen kann. Danach sollen einige kleinere, teils eher spekulativere Positionen folgen, für die ich (noch) nicht ausreichend recherchiert habe und/oder generell eine geringere Conviction habe, da mein Circle-of-Competence eventuell überstrapaziert wird.
Nun aber zum eigentlichen Portfolio. Zum 12. März war ich wie folgt investiert:
Dazu beläuft sich meine YTD-Performance aktuell auf atemberaubende 0,8%. Der Nasdaq kommt dagegen auf 3,3%, der MSCI World auf 5,0%.
Damit wünsche ich euch allen einen erfolgreichen Rest-März!
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THE END.
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Der Autor ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung long zu den im Portfolio enthaltenen Unternehmen positioniert.
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